Mitglied werden!ImpressumCookies© 2024

ASM

Arbeitskreis
Südtiroler Mittel-,
Ober- und Berufsschul-
lehrer/innen
Schlernstr. 1
I-39100 Bozen
Tel. 0471 97 63 70
asm@asm-ksl.it

Montenegro - Albanien. Vom 10. bis 20. September 2017

Es gilt zu überbrücken.

Reich und arm ist jedes Land in seinem eigenen Kolorit und auf seine eigene Art. Und eine Reise in die Länder Dalmatiens ist eine Begegnung mit verschachtelten Geographien und gewürfelten Gesellschaften.

Dienstag 11. September.

Split Hafen: die Morgenankunft ist aus dem Meer gestiegen und die violetten Schatten der suchenden Mittelmeermöwen ziehen in den Hafen. Der Küste entlang nun. Und wie eine Insel inmitten der Fluten von Empfindungen der Seele ist das wache Denken nun für das Tagesbewusstsein. Aus dem Fenchelgrün der Buchten wachsen brandschwarz und ockerorange die trockenen und teils feuergegerbten Kiefernstämme. Ins Algengrün pinseln die untermeerischen Süßwasser-Quellen kreisrunde Flecken ins tiefere Blau des Meerwassers. Im gedunkelten Licht der Sonne erlöschen manchmal die weiten Flächen der Buchten, welche dann fast kahl, unnahbar und von tragischer Schwere sind. An den verkarsteten Kalkrippen der Inseln entflammen eingeblendete Lichtstreifen. Dann wieder legt sich ein gleißender Silberteppich über das Kobaltblau des Wassers. Auf den küstennahen Hängen wächst der "Kleine Blaue", ein roter Wein, welcher an den Flaschenhälsen und im Etikett ein Esel-Logo (der Esel auch als Staatssymbol) trägt; Esel trugen geduldig und trittsicher die Trauben von den Weinbergen über die Bergkämme in die Kellereien. In den Gartenrändern und an Trockenmauern blüht der Trompetenstrauch, reift der Granatapfel; ganz in der Nähe ein Muschelmuseum, ein Wallfahrtsort und weiter im Inneren der Dinnariden streifen Wölfe, äsen Mufflons. Dann, erneut im matten Seidengrau, reicht der Blick zu züngelnden Inseln. Protzige neue Autos; wie überall ... die starke Näherung zwischen Mensch und Maschine, die Adaptierung mit elektronisch-physikalischen Subnaturen, die Symbiose mit der Scheinwelt und Mammon. Ein Garten mit bunten, herbstlichen Früchten. Podgora, erstmals 1477 erwähnt, Badeort an der Makarska-Riviera, 1962 von einem Erdbeben getroffen. Aus Angst vor den Piraten wurde der Ort in die Hänge des Biokovo-Gebirge verlagert und dem St. Vincenz, als Schutzpatron, anvertraut. Nach der Seeschlacht von Lepanto 1571 geriet das Gebiet in die Hände der Venezianer. Oberhalb des Hafens, auf einem Hügel, thront das 1962 errichtete, antifaschistische Denkmal "Galebova krila", der "Möwenflügel".

Dubrovnik, früher als Republik Ragusa bekannt, lateinisch Rausium, später Ragusium, mit über 42.000, überwiegend kroatischen Bewohnern. Und da im Slawischen die Eiche "dub" hieß und "dubrava" im slawischen "Eichenhain" bedeutet. Vier- bis rechteckige steinerne Quadern, mit scharfen Rändern und Kanten, glattverfügt, fesseln und verschließen die Stadt. Andrang und Verkehrsstau, Massen drängender Leiber, schwarzhaarige Inder oder Pakistani, kleingebliebene Asiaten. Die Wucht des Unmittelbaren. Kalkplatten im leichten Grau und Ockerhauch und von Fossilen durchsetzt. Sie bringen den Schuh auf Treppen und steilen Gassen ins Nasse und ins Glitschige. Ulica Bozidarevica-Gasse, am Türpfosten ein JHS. Der große Brunnen am Tor, ehemals von einer Wasserleitung an der Festungsmauer versorgt und Tauben, welche den 16 seitigen, polygonalen Sockel umwandern: du Schönheit der Vernunft. Der zugeschüttete Meeresarm, heute die Hauptstraße, der "stradun" und in engen Seitenästen zerschnitten. Im Franziskanerkloster die denkmalgeschützte Apotheke und das Aspirin: der Duft von Kräutern, die vier letzten Mönche belasten die selige Ruhe nicht: die Glocke am Giebel ruft nicht mehr. Weiter im Klostermuseum meldet sich ein müdes "Ecce Homo", hinter Bildglas ein heiliger Laurentius, seine Hand als Silber-Prothesen-Reliquar, ehemals im Wasser gekocht und der Reliquienfuß des Heiligen Blasius. Materielle Erinnerungen an das Wirken Jesu Christi, Grundlage, um an die Glaubenskraft anzuknüpfen, unter dem Einfluss Venedigs und im Kreuzfahrerwahn Basis für Kapitalbildung und wie Börsenpapiere gehandelt. Dubrovnik, verankert auf illyrischen Mauern des 3. Jahrhunderts v. Chr., mit vier Ortsteilen und einem 1940 Meter langem Festungsgürtel. Die Stadt, geweiht dem hl. Blasius (Sv. Vlaho), mit seinem Festakt am 3. Februar, nennt sich das "Kroatische Athen" und gilt als eines der Zentren in der Geschichte der Entwicklung der kroatischen Sprache und der Literatur. Und sein großer Freiheitswillen: "Für alles Gold in dieser Welt werden wir unsere Freiheit nicht verkaufen" (Ivan Gundulic). Mit aufrechtem, bloßem Schwert steht das Standbild des Ritters Roland auf dem Hauptplatz als Sinnbild der Eigenständigkeit und der Stadtrechte. Vis-a-vis die Palazzi der Juden. Das Öl-Altarbild "Maria Himmelfahrt" von Tizian aus dem Jahre 1552 in der barocken Kathedrale Sv. Gospa. 160 Handelsschiffe der Stadt durchkreuzten im 16. Jahrhundert das Mittelmeer bis das katastrophale Erdbeben von 1667 die Stadtrepublik in eine schwere Krise stürzte. Und bereits - später Nachmittag und das brütende Hitzegelege schwappt in die steilen, hellhörigen Seitengassen, verschüttet sich in die Mauern zum Meer.

Und weiter in Richtung Montenegro, 13812 Quadratkilometer klein, gebirgig, waldreich und dünn besiedelt. Karst, Dolinen und tiefe Schluchten lassen das Wasser in Spalten und Schloten unterirdisch verteilen und Flüsse und Seen lautlos speisen. Von Canyons zerschnittene Kalk-Berge, von den Gletschern der Eiszeit geformt, können sie sich über 2500 Meter erheben und begegnen uns felsig, abweisend und rau. Einen Tempelraum für dieses Antlitz. Montenegro, mit den integrierten Amtssprachen Montenegrinisch, Serbisch, Bosnisch, Albanisch und Kroatisch und anwendbar sowohl die lateinische als auch die kyrillische Schrift. Und die Sehne des Sonnenbogens, über alles Antwortlose und Unstillbare. "Montenegro ist Meeresschaum und Schneestaub, das Spiel der Felsen und der Hinsturz der Bäche" (Veljko Vlahovic).

Richard Strauß und die Morgenstimmung in seiner "Alpensymphonie". Keine Vogenstimmen. Cadmiumroter Dunstschaum am Osthimmel. Das Öffnen der Geräusche und der Helle, im Durst der Verklärung. Zypressenwald und Fjordland und die Festung Mamula: die langgewachsene und tiefatmende Bucht von Kotor: eine warmfarbige Wasserhand, nehmend und gebend, die glatte Oberfläche von seiner versenkten Tiefe beseelt. Die Stimmung des gewittrigen Himmels spiegelt die venezianische Bezeichnung des "Montenegro". Von karstgetünchten Felsabstürzen gehalten vibriert das Gebärbecken, 30 Kilometer lang, von den spielenden Farben und von feingetüpfelten Regentropfen überrieselt. Lichtrausch flutet vom offenen Meer in die Bucht, wird von der Tiefenschwere des Wassers verzögert und im Palisadengitter der Zypressen verteilt. In der "kleinen Sixtinische Kapelle", der "Maria vom Felsen" prangen 2000 silberne Votivtafeln; jeder Fischer und Schiffer trug mit einem abgelagerten Stein zum Bau dieser künstlichen Insel bei. Vorbild für die „Toteninsel“ Arnold Böcklin’s. Fast ausgetrocknet fällt im Sommer der Fluss "die Böse" in die Kotor-Bucht. An der Brücke zur Hafenstadt Kotor: die verschlossenen Schlösser am eisernen Brückengeländer besiegeln die Verliebtheit. Weltkulturerbe-Stadt: An ihrer Stelle soll sich ab dem 3. Jahrhundert v. Chr. eine griechische, dann eine römische Siedlung befunden haben. Den gefürchteten Osmanen gelang es nicht die Festungsmauer der Stadt zu überwinden. Byzantiner, die slawischen Nemanjiden, die Schutzmacht Venedig (zwischen 1420 und 1797), Österreicher, Russen, Franzosen, Briten, Montenegriner und die Volksrepublik Jugoslawien herrschten über sie. Mehrere Erdbeben, zuletzt 1979, zerbröckelten die Festung mit der 4,5 Kilometer langen Verteidigungsmauer, der längsten aller Adriastädte, (dem 1555 Altstadttor "Morska varta" und dem Hauptort "Glavna", ehemals geziert mit dem geflügelten Markuslöwen), ließen die Kirchtürme des Domes zum hl. Paulus einstürzen. Heute touristisch lebhaft mit dem Kinderfestival im Juli und der so genannten Nacht der Bucht im August. Gefächert mit zahlreichen verwinkelten Gassen, kleinen Geschäften, Restaurants und Wohn-und Bethäusern. Die Pflasterung am Platz der Oktoberrevolution glattpoliert. Nur mit den Augen folgen wir dem Zickzackkurs des Festungswerkes zum Gipfel der Felsen. Der Blaustrom der Bucht, von strahlenden Lilafarben durchzogen, läuft sich im kahlen und zurückhaltendem, wattiertem Grau der Karsthorizontes aus. Dann abends: in der lichtvollen, aber schon in ihrer angerosteten Bahn, senkt sich die Sonne in den westlichen Grund; ein Kind am Nachbarbalkon des Hotels macht auf sich auf montenegrinisch aufmerksam. Palmen stehen ruhig, der Restschwarm der Schwalben schreiend; was ohne Tätigkeit verblieben ist, wird hineingegossen in die Nacht: die Bildverwirklichung der menschlichen Sprache. Ein Umschmelzen des Seelischen. „Wächter, wie weit ist die Nacht?“.

Nationalpark Lovcen, 64 Quadratkilometer groß, ein Gebirgszug, welcher für viele Montenegriner als ein Symbol für Freiheit darstellt. 14. September. Das Streichen und Fallen des Karstes, von karggrünen Bankungen durchzogen, entwässert: auch Buddha hatte einst über Durst gesprochen. Die enge und kurvenreiche Straße - in sattere und fruchtbarere Poljen versenkt, in wachsenden Mäandern empor. Im Gipfelblick die Bucht von Kotor: im Dunstwuchs, umrahmt von leicht gezuckerten Ocker, das Wandern der Augen über die unbekannte, grenzenlose und weite Kargheit; vereinzelte, gestreute Farbperlen über ein versteinertes Meer, über den herben, beharrlichen Hartcharakter des Landes. Und der gemütvolle, gelassene Gleichmut: "du kannst dich beeilen, aber langsam" oder "man wird geboren, um sich zu erholen", oder "einen Stuhl neben das Bett stellen, um nach dem Aufstehen sich auszuruhen", ein dösender, schwarzer, hochbeiniger Esel und das schwarzkalkig-granitoide Njegos-Megamonument auf der Spitze des 1657 Meter hohen Jerzerski Vrh für seinen berühmten, nachdenklichen Poet-Herrscher und die 461 Stufen zu seinen Füßen. Bukolische Rast im Nationalparkcenter. Ausgebrannte Leerraumbüsche, schwarz verelendet durch Pyromanen. Geduldig haben Menschen die Steine von den Feldern gekämmt, Randmauern gehäuft, eingezäunt (sancire mit sanctus vereint), in den Kleinflächen dann trockenresistente Gemüsesesorten, Grünkohl, Mangold, Spinat gepflanzt; und der Duft der Kräuter: Rosmarin, Salbei, Thymian, Dill, Origano: Geruchsschreie aus den Spalten zerfurchter Gesteine. Mediterrane Macchia, Flaumeichen und Kiefern, Endemiten, viele von den 3000 Pflanzenarten Montenegros. Hirsche, Wildschweine, Bären und Wölfe - zwei kreisende Geier heben sich in die Weite. Bernhard Show in der Gaumenlust von geräuchertem Schinken und würzigem Käse und "Ono", das "Gekochte". Holz als Heizstoff und der Tote wird zwei Tage in der Kapelle aufgebahrt. In den Koordinaten des Horizontalen betten sich die geschwungenen und buckeligen Formen der Karstberge, driften in die Schatten tiefer und enger Täler und Schluchten oder lösen sich im flockigen Weißgrau einer Wolke auf, verkleben sich mit ihr, bleiben an ihr hängen. Grünliches Eigelb färbt Fassaden, rote Ziegeldächer heften sich wie ein unfertiges Mosaik in das Polyedergrün oder in die Bienenwachs-Farbigkeit der Hochflächen, dringt Ungesehenes und Ungesagtes ins Offene. An den Horizonträndern und Buntglas-sichtig: das Gewahrwerden des Grenzenlosen, das sich Auflösen. Im Bild, ein Bild, das Bild: es ist umfassender und vielschichtiger und vorsichtiger ... wie Töne verschiedener Stimmgabeln, wie ausklingende große Chöre. Montenegros harter Kalk: er sieht sich im blühenden, wärmenden Licht. Cetinje, die junge Stadt aus der Mitte des 15. Jahrhunderts in der gleichnamigen Hochebene, wasserarm, von Osmanen geplündert und wieder verlassen, inoffizielle Kulturhauptstadt, 1889, im Berliner Kongress: Stadt und Land für unabhängig erklärt und zahlreiche Botschaftsgebäude; und dann wieder Teil Jugoslawiens. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts dann der Aufschwung unter Petar II. Petrovic-Njegos: repräsentative Bauwerke, Alleen flankiert von niedrigen Häusern, Spital und Schulen, Billardtisch und Druckerpresse, die Ruhestätte von König Nikola I.. Die Ehe der Jelena mit dem italienischen König. Die Königsresidenz und das ansprechende Museum mit den vielen ausländischen Geschenken, mit der klaren, resoluten und gesprächsknappen Guide. Das Reliefmuseum, das Mausoleum des Bischofs Danilos, das eng an den Felsen geschmiegte Kloster Cetinje mit der Schatzkammer Riznica, dem Brustkorb des Heiligen Petar und der reliquiaren Hand Johannes des Täufers. Amen. Auf dem Vorplatz des Klosters schwangen die Bauern gemeinsam ihre Dreschflügel, disputierten und verhandelten die Dorfbewohner. Weiter zur Kleinstadt Kruja, auf 520 Meter über dem Meer, am Steilhang der Skanderbeg-Berge gelegen. Die Burg Kruja: Auflösung der Mauern und hauptamtlich restauriert von der Tochter Hoxha's Pranvera zur Verherrlichung Skanderbergs und zur Glorie der Nation Albaniens. Und Skanderberg sowohl Namenspatron einer Nazi-Horde als auch Held des kommunistischen Staates. Martialische Schaubühne für Skanderberg und seiner Truppe in der Eingangshalle. 1190 begründete Progon das Fürstentum Abanon mit der Burg als Herrschaftssitz. Der Name Kruja bedeutet so viel wie Quelle oder Brunnen. Die Rotweinrunde am Mittagtisch ließ sich vom Rebensaft überzeugen. Am Abend - im Lichte baden, wie die Schwalben in der Luft. Budva und ihr Stari Grad, die älteste Altstadt der montenegrinischen Küste und einst eine Insel. Seelennähe und wie von einem warmen Lauschen an Land gezogen und das leise, taufrische Rauschen des Meeres. Auf dem kleinen, felsigen Eiland siedelten ab dem 4. Jahrhundert Illyrer, dann die Übernahme durch die Römer, ab 1442 Besitznahme durch die Venetianer. 1979 vom Erdbeben zerstört und nach Plänen aus österreichischen Archiven getreu im venezianischen Stil restauriert. Und draußen in der Bucht von Budva steigt geruhsam die kleine Insel Sveti Nikola aus dem Meer, liebevoll von der Bevölkerung Havaj (Hawaii) genannt. Das Stadtmuseum, die Kirche zum Heiligen Johannes dem Täufer, der Stadtbummel durch enge Souvenirgassen, das romanische Ensembleviertel mit Festung, die Siesta unter kühlendem Laubwerk, die niederen Seitenpforten in Richtung Strand und die Fahrt nach Becici. Der Südgrund wie feinfühlende Rindenhaut. Invasion vieler Dämmerungen. Ich atme das Meer.

Albaniennah und über die stark gesicherten Grenzschranken: Auf Rot mit dem schwarzen Doppeladler und der Nationalhymne Himni Flamurit. 15. September. Stelen vor der Tür und wann entsorgen sie sich, Busfahrer-Philosophie oder was bringt das Nachdenken des Einzelnen für die Welt: Santa Quaranta und Vieles. Im Morgenleuchten zieht ein Schwimmer durch das Meer eine glattfarbige Bahn. Becici und die Inselenklave Sveti Stefan für Superreiche: Sofia Loren, Carlo Ponte und die Villa 118 mit Swimmingpool und mit betörendem Meerblick. Wegen ihrer Kraft und ihrer Größe waren die Montenegriner-Männer als Sklaven auf Galeeren beliebt. Miguel de Cervantes und seine fünf mageren Jahre als Sklave, der finanzieller Aufwand für die Befreiung seines gehandycapten Körpers. Olivenbäume und Stein und die fast animalische Elefantenfarbe, gesäumt vom rostfarbigen Strand von Petrovica in der südlichen Herbstwärme. Der gebirgige Horizont wie ein gegerbtes Aquarell im verschwimmenden Fell einer Tüpfelhyäne, in den Hangdeltas von pockennarbiger und knochiger Körperlichkeit, fast ein barocker Gestaltungswille. Höre mich lauschen, höre mich singen.

Das "Land der Skipetaren", der fünfte Band Karl Mays aus der 1892 erschienen sechsbändigen Ausgabe des Orientzykluses. Albanien, mit einer Gesamtbevölkerung von 2,8 Millionen auf einer Fläche von 28748 Quadratkilometern. Vor Gott sind 56,70% der Bewohner muslimisch und im südlichen Teil des Landes, 6,75% widmen sich dem albanisch-orthodoxen Glauben, 10% hängen der westlich orientierten römisch-katholischen Kirche an und diese sind mehrheitlich im Norden angesiedelt. Weiters bezeichnen sich 0,14% als Protestanten. Etwa 5,5% sind gläubig, aber keiner Richtung zuordenbar und 2,5% sind Atheisten (Volkszählung 2011). Parlamentarische System, Nationalfeiertag am 28. November, Mitglied der NATO und der CEFTA, 2004, das Land mit der größten Umweltverschmutzung Europas. Albaniens Geografie: Kalkreich, schon aus der Triaszeit, mit Brandmalen an dem Dünnbewuchs der Berghänge, erdfarbene Täler, Höhen im Biergelb und im Pantherlook. Die Hoheit nimmt der Korab mit 2764 Meter über Normalnull ein. Alle großen Flüsse münden in die Adria - der weiße Drin, der schwarze Drin, der Mat und andere türkisfarbene Rinnsale. Entlang der Küste: Alluvialböden mit der großen, fruchtbaren und getreidereichen Myzeqe-Ebene in der Mitte und den Feuchtoasen im intensiven Agrumengrün. Im Topos der Nord-Süd-Faltengebirge und der Hügel, die Hauptstadt Tirana: die Kruja-Kette und ihr Hausberg Dajti (1613 m) als Ostrücken; die Dinariden als geologische Knautschzone für die nach Osten treibende Adriascholle. Verkehrsregeln scheint es nicht zu geben. Quirlig, jugendlich, Lichtspiele und Wasserfontänen und der reitende Nationalheld Skanderberg, wie ein angriffsbereiter Streitwagen, im Gegenüber des Minaretts einer Moschee. Albanien: 1968 von den Kommunisten zum ersten atheistischen Staat erklärt. Ethnien - ziemlich einheitlich.

Sheraton Hotel, unser Zwei-Tage-Quartier. Hillary Clinton und Tony Blair, ein indischer Friedens-Nobelpreisträger und arabische Diplomaten auf Schwarz-Weiß-Fotos in der Eingangshalle. Eifriges und zuvorkommendes Personal. NATO Tagung. Der Boden des Hotels ausgelegt mit weißen Kalkplatten und dunklen Einlagen, die Blumendekoration etwas verarmt, die Gemäldegalerie, rote Rosen am Frühstückstisch und Diener in Schwarz-Weiß. Das Zimmer 625 des Megabaus halb vergangen. Mit Blick auf den Haupteingang und den bewaldeten Hügeln und ob ich hier wohnen könnte. Auf Fleimstal-Porphyr zum Skanderbergplatz, vorbei an drängenden Autos, pfeifenden Polizistinen und faschistoiden Regierungsgebäuden. Lecker das Abendessen mit Vino nero. Scheinwerferlicht-Streifen und laut die Musik von den "The Doors". Tirana, 1920 als Hauptstadt begründet, eine Million die Einwohnerzahl, mit starker Polizeipräsenz, den beiden Hochhäusern, dem Bunkermuseum und dem wirtschaftliche Aufschwung und der Währung in albanischen Lek's. Die Bauten aus der kommunistischen Ära mit maximal 5 Stockwerken und ohne Lift und das Krankenhaus aus roten Backsteinen aus dem faschistischen Italien. Das Nationalmuseum am Hauptplatz, mit dem Mosaik-Stirnemblem zur Geschichte Albaniens. Riesige Räume gefüllt mit Relikten, von den indoeuropäischen Illyrern bis zur Dramatik der neueren Geschichte; auch Ikonen an der Palustradenwand. Herrlich gebändertes Kalkrot im Parkett. Die Führung kompetent und im Uni-Jargon: auf gut Deutsch, witzig und vielfältig und unparteiisch. Durres, der weitläufige Hafen und das Mittagessen auf der Halbinsel-Mole. Wegen Geldmangels besitzt das archäologische Museum nur eine Parterre-Show. Illyrisch, griechisch mit "nassen" Gewänder-Skulpturen, Münzgeschichte, griechische Vasen und neolithische Frauenidole. Ein marmorner Grabstein: auf der Rückseite die Abbildung einer Frauentasche, vorne Frauenutensilien: Kamm, Spiegel und Pinsel. Anschließend im groben Mauerwerk das römische Amphitheater, vielleicht auf griechischem Sockel, der Einbau einer frühchristlichen Kirche mit isokephaler Mosaikwand unter den Zuschauerrängen. Das römische Marcellum und die Privatschule im imperialen Stil und schwülheiß. Das nicht optimale Abendessen, der Cobe-Wein zu 22 Euro und "Blauwasser-Schnaps" und müde. Aber noch Georg Kastriota, genannt Skanderberg. Er war Fürst aus dem Adelsgeschlecht der Kastrioti und Militärkommandeur. Durch seine 25 jährige Verteidigung Albaniens gegen die Osmanen wurde er Held und berühmt und erhielt 1457 vom Papst Calixtus III. sowohl den Titel "Fidei devensor" als auch den Ehrentitel "Athleta Christi". Als Nationalheld der Albaner findet er starken Nachhall. Das "Land der Adler": Baustellen, vertikalstreckende Metallstreben, auf den Dächern Wasserspeicher und Plüschtiere an Fassaden, um Unglück fernzuhalten.

Aus illyrischer Sicht - die Albaner und ihre Kollegen: Hekateis von Milet (5. Jh. v. Chr.) zählt die Stämme der Japyger, Taulantier, Chelidonier, Sesarether und Arber auf. Nach dem Periplus des Pseudo-Skylax aus dem 4. Jahrhundert v. Chr. werden die Stämme der Illyrer bifor geteilt in die Völker der Küste und solche des Hinterlandes und mit Blutrache versühnt, in der ungeschriebenen Sprache des Kanun, ableitbar vom römischen Recht. Die süditalischen Stämme der Kalabrer und Sallentiner werden ebenfalls diesen Indoeuropäern zugerechnet. Und die Urbanisierung Illyriens begann im späten 5. Jahrhundert v. Chr. Aus der Fusion romanisierter Illyrer mit illyrischen Gruppen, welche die Atavismen der indoeuropäischen Kultur und Sprache bewahrt hatten, bildete sich seit dem 11. Jahrhundert die ethnische Eigenart der Albaner, der Arbers, heraus. Die Ethnogenese der Albaner aber ist in der Forschung noch nicht gänzlich gelöst. "Das Albanische ist heute der einzige Vertreter eines indoeuropäischen Sprachzweigs, ..." (Haarmann 2016). Auch 2016 und heilig gesprochen: Mutter Teresa, in ihrem Namen der Flughafen Tiranas ... und die großen Augen der Kinder.

Abfahrt um 9.00 Uhr nach Beirat. 17. September. Gut so und ungeduldig und schon gepackt. Keine Saltos oder exzessive Gymnastik: Stau beim Senioreneinstieg in den Bus. Im Alter wird man selbstbezogener. Zen-Ruhe und Stoiker der Beschaulichkeit. Beirat, 2700 Jahre alt, drei Sorten Wein und eine Gas-Pipeline. Alexandrinisch, byzantinisch, normannisch und unter den Osmanen steuerfrei. Die orthodoxe Kirche und ihr Museum: viele Sitzplätze für Mönche, das Volk steht oder kniet oder kriecht. Der aufwendig ziselierte Altar und die rechte und linke Mitte-Ikone immer in Christo und Maria. Auch in der Mitte: die königliche Pforte. Der Einlege-Kreis vor der Altarwand mit 30 Steinintarsien für die 30 Tage des Monats und die Ausrichtung nach Süd, nach Nord zum Ausgang der Kirche. Ein Lichtstrahl fällt auf diese Bodenuhr und auf ein bestimmtes Ziel - der Priester weiß jetzt, dass es nun Zeit ist Schluss zu machen mit dem Kultusbetrieb. Hinter dem Altar ein Tisch, an dem nur die Wahrheit gesprochen wird. Einst im Boden verborgen: der Codex purpureus aus dem 6. Jahrhundert, auf der Gedächtnisliste der UNESCO und heute im Staatsarchiv. Vielleicht gab es einst in Beirat eine Schreibschule. Die Ikonengalerie: Orthodoxe Christen berühren und küssen die getauften Ikonen, deshalb mit Silberbeschlag und damit mit weniger Abnützung, Demetrios, welcher den Soldaten am Boden ersticht, die Kleingestalt mit albanischem Hut, die expressionistisch-rote Märtyrerfarbe. Ikonen-Rot: in der Verdunkelung, in der Aufhellung. Kinnabari, das Bergzinnober oder Drachenblut, aus dem Harz des Drachenblutbaumes gewonnen. Auch Vermillion (einfaches Zinnober), Eisenoxid oder Lakka, das warme Krapplackrot, in der Antike Rubia genannt. Und Blau, aus der subtilen Vermengung von schwarzen und weißen Pigmenten oder aus dem teuren Lapislazuli hergestellt. Blau und Grün als Farben der Schöpfung. Die sparsame Farbpalette der Mischtöne: Ocker, Schwarz und Weiß. Wärme, fast sich zur Hitze steigernd, drängt sich durch das Weinlaub und durch den Blätterwald der Feigenbäume in die Kalkmauern der Altfestung. Plastikabfall schüttet sich über die Felsen. Im ethnologischen Museum: die Alten saßen näher am Feuer; und immer brannte das Feuer in der Küche. Und im Nachhinein im Gesichtsfeld die "Stadt der tausend Fenster", jenseits der Brücke über die Gorikka. Die feuchte Luft ins Dunstige ziehend, verwischt etwas die sich geometrisch wiederholenden Bergrunsen an den Abhängen. Der Rußton und das Strohdürre der Sommervesper; ein ölig-ätherischer Nachklang und durchfeuert: wenn ich meine Augen schließe: goldene Ikonenreihen mit Himmels- und Teufelsgrüßen, mit patriarchalischen Mimiken und Gesichtszügen, mit ihren verschwiegenen, starren und direkten Blicken; sie addieren sich. Die steile und aalglatte Straße in die Unterstadt. Eine große Wiese grast sich kahl in die Vertrocknung, die Knute der Zeit schleicht sich durch die engen, schattigen und gekalkten Gassen und, wegen der Esellasten, mit abgeschrägten Häuserkanten, durch zwei im Winde segelnde Kolkraben, durch Moscheen und schrillenden Muezzintrompeten. Das nichts enthält: in das geschlossene Dunkel der Nacht, im Hotel. Wo, du weißt es nicht, sucht der ruhende Leibgarten dich. "Den Wachenden ist eine Welt gemeinsam / Doch jeder Schlafende hat eine Welt für sich" (Ismail Kadare).

Alle sind sie so schnell heute: die Bäume, die Straßenschilder, die streunenden, mageren, herrenlosen Hunde. 18. September. Eine Heuschrecke erhebt sich erschreckt vor meinem Schritt; ich kann durch die Berge nicht hindurchsehen. Aus dem Lichte gesungen: Der Sonnenaufgang, der über den Berg kippt, die kurvige Straße, die Lehmfarben des Flusses Osum. Gibt sich springend, übereilt sich, die Platanenallee. Zahllos die rauchenden, alten und zerbeulten 220 iger Mercedes, aber großteils frisch aus den Waschanlagen. In den Steppengras-Katarakten die kinderlosen und dunkelbraunen Rinder: die Zeit hat hier kein Ziffernblatt mehr. Nach den Illyrern die Slawen: seit dem 6. Jahrhundert das östliche Mitteleuropa, Osteuropa und Südeuropa besiedelnd. Ausgehend, dass sie von "irgendwo hergekommen" sind; vielleicht aus ihrer indoeuropäischen "Urheimat" nördlich der Karpaten, zwischen Weichsel, Dnepr und Desna. Durch ihre einfache und unscheinbare Keramik ausgezeichnet: handgeformt und unverziert. Erst mit der Erwähnung in den oströmischen Quellen werden die hochgewachsenen Slawen greifbar. Es spricht manches dafür, dass die Slawen ihren Namen vom Wort "Slovo" (Wort) herleiten, einer Gemeinschaft von Menschen, welche sich sprachlich gegenseitig verstanden.

Ein neuer Morgen - das Horoskop des Tages: ausgenommen die Schatten - alles will sonst ans Licht: die tiefbraunen oder militärgrünen Türanstriche, die Waren der Krämer und die Stimmen des Marktes, der Gärtner, welcher aus den Ritzen und Spalten der Pflasterwege fleißig das Gras zupft, der Kellner, der beim Anblick einer Ausländer-Reisegruppe ein breiteres Lächeln gefunden hat. Langsam vergießt sich die hitzesatte Staubfarbe über die Tribünen der Dörfer und Hügel, verfallen die Wirklichkeiten in die stumme Optik des Inneren. Die Haut wird klebrig. Lang sind die differenzierten Sprech- und Erzähllisten des Guide, die verwinkelten Suren seiner Biografie. Ein prallvoller Schulbus um 6.50 Uhr. Das Knarren und Knattern archaischer und alternder Motoren, der an den Seitenränder der Straße ausgefranste Asphalt, ein leichter Wind verdrückt sich aus den zitternden Gräsern in die blütenlosen Büsche, das Gurren der Tauben im Garten des Hotels. Friedenstorys. Aus roten Lippenstift-Mündern die weichen Laute, die weißgekalkten Unterstämme der Olivenbäume auf den künstlich angelegten Terrassen - der Abstand zwischen den neuen Pflanzungen wird enger. Abfahrt 8.00 Uhr. Unsere Damen haben sich in Weiß- und Beigefarben schön gemacht. Aschen entfachen sich ... das breite Flussbett ist persönlich und nicht geregelt: Drin, Drini, Drina, Drino, illyrisch die "Lichtvolle". Die weiße Drina und 285 Kilometer lang biegt sie sich um einen gewaltigen Bergsturz in dem spärlich besiedelten Talgrund. Die vierstöckigen Häuser, welche zu 90% keine Zentralheizung besitzen. Mais und Getreide teils vom Ausland: das kontinuierlich warme Klima sorgt für dicke Wassermelonen und für fette Paprikas. Die Devisen Albaniens: Chrom, Kupfer, Eisen, aber auch Osmium, Gold, Cobaltit, Realgar, Sphalerit, Tetraferroplatin, 31 Gesteinsarten und 15% Tourismus. Bauern profitieren von der Heavy-Metal-Pflanze Alyssum murale, dem Mauer-Steinkraut. Zu giftig selbst für Tiere. Als Bio-Akkumulator auf Serpentinböden besteht Ihre Asche zu einem Fünftel aus Nickel. Das Phytomining bringt der Ernte 80 Dollar pro Tonne. Für den Duce der Porto Palermo und der Porto Ida im Süden des Landes. Aber wie kommt der Duce nach Albanien? Halbvergessen ist die Missetat Mussolinis vor dem Ausbruch des zweiten Weltkrieges: seine Osterinvasion 1939 in Albanien. Der Duce musste seinem Volk beweisen, dass ihm die Partnerschaft mit Hitler etwas wert war. Er überfiel ein Land das bereits unter der Einflusssphäre Italiens stand. Und Vittorio Emmanuele hat sich die albanische Krone aufs Haupt gesetzt. Der Herrscher Ali Pasha Tepelena (1740 - 1822) auf einem Steinsockel sitzend. Rentner parlierend an Cafes. 14% Arbeitslose weist das Land auf plus stille Arbeitslose: Bauern und Saisonarbeiter und 150 Euro Arbeitslosengeld, die Emigranten zahlen zurück, die Pension zahlt der Staat. Die wichtigsten Arbeitsbeschaffer sind die Gastronomie, der Tourismus und die Bautätigkeit. Am Alexander-Pass vorbei ... der gewiefte Feldherr konnte ihn nicht überschreiten, dafür überwanden die Normannen einen anderen, den orographisch rechtsseitigen Übergang. Gjirokastra und 12.30 Uhr. Häuser, Dächer, Mauern, Pflasterung: alt und schwer und Rinden, Panzer, Schuppen, Totems aus Kalk- und Sandstein, "Stadt der tausend Treppen". Und zwischen Pastell-und Seidenhelle: das Schwarzhaar und die Dunkelglut der Menschen. Lord Byron's Stadtbeschreibung und Tepelene vorher, mit der von Lord Byron gemieteten Mineralwasserquelle und in der Dichterempathie der englischen Romantik: "Wild sind Albaniens Söhne, doch entbehrt nicht jede Tugend das Rauh Geschlecht". Albaner, mit den bunten und reich verzierten Trachten ("mit die schönste auf der Welt") und den Staccati ihres fröhlichen Tanzes und albanisch: die Sprache, welche sich nicht unmittelbar aus dem Illyrischen ableiten lässt. Eher Reflex eines eigenen und unabhängigen altbalkanischen Mundes. Ja, per Dekret war die albanische Sprache unter der Herrschaft der Osmanen verboten. Gjirokastra, italienisch Argirocastro, UNESCO-Welterbe, Geburtsort Enver Hoxha's und des Schriftstellers Ismail Kadare ("Chronik in Stein"), der meist übersetzte albanische Autor und Rufer und Mahner gegen den Totalitarismus; aber auch ehemaliger Parteigänger und seine Werke waren Pflichtlektüre unter dem Regime Enver Hoxha's.

"Sooft Regen an die Scheiben pocht / Wirst du hier sein, wirst du kommen" (Kadare). Die Stadt, 340 Meter über dem Meer gelegen, mit 13000 Einwohner. Gründung erfolgte im 14. Jahrhundert. Enver Hoxha, von 1944 bis 1985 Diktator der Sozialistischen Volksrepublik Albaniens. 1908 als Sohn einer wohlhabenden muslimischen Familie in die Welt gekommen. Er studierte in Frankreich und Brüssel, wo er intensiv mit kommunistischen Ideen in Berührung kam. Mit jugoslawischer Hilfe gründete er 1941 die Kommunistische Partei Albaniens, wendete sich später von Tito, Stalin und der Volksrepublik China ab, isolierte das Land hermetisch. Im Alter, unter paranoider Angst vor Angriffen, baute er 750.000 Bunker, ließ er keine Privatautos zu. Er starb 1985, 76 jährig und umgeben vom Hoxha-Kult, in Tirana. Aber zeitlich vorher: 1811 konnte Ali Pascha Tepelena Gjirokastra, die "Stadt der Steine" und das Umland in der Dropull-Ebene unter seiner Herrschaft zwingen, wurde die Burg stark befestigt, wurde ein 10 Kilometer langer Äquadukt errichtet, die Häuser im Stil der "Balkanarchitektur" erbaut. In der Burgfeste mit der wunderbaren Aussicht, dem Uhrturm, ist das nationale Waffenmuseum und das Geschichtsmuseum untergebracht. Eine breite und tiefe Vergangenheit in einer unentschlossenen und mythischen Landschaft, während die Herde der Ziegen und Schafe in den Armen des weiten Tales friedvoll weidet.

Strandpromenade und die Ortschaft Saranda. Und die Dämmerung in den Steppengräsern, fast wie ein zartes Schluchzen, wenn der stille Wind vom Meer die dürren Halme berührt.

19. September. Hotel Butrinti, 5 Sterne aber mit nur einer 3 Sterne-Ausstattung. Hotel Butrinti ist das letzte Gebäude am Ort aus der kommunistischen Ära. Ausblick durch das nicht gereinigte Fenster: Fähren schlenkern zwischen Korfu und anderen Inseln hin und her. Auf der Insel Korfu hielt sich Sisi und der Duce auf und Suleiman; dazwischen das "Canabis-Dorf". Das Kulturerbe Butrint und der Spätsommerpinsel streicht über die Palette verlassener Farben, archäologisch beachtet auch in der Äeneis von Vergil. In der Berauschung von Duft und Schönheit, von Brot und Wein und nun zeitfrei umwandernd. Mit den Sommerbrillen-Augen: verblühende Agaven bringen sich in die vertikale Blütenwucht, die Blätter lose und bis in die Verwelkung geschwächt und die Mischung von Schaf, Ziege und Esel auf der Ebene und am Kanal zum Brackwassersee. Am Straßenrand sakrale Gedächtniskästchen, vogelkäfigartig, einbeinige Minikapellen, über sich kreuzende Hügelzungen der Ginster wie grünliche Sommersprossen und Inklusen in Sepiatönung. Auf mich zu, für dies es wächst.

Butrint: die griechische und römische Ruinenhalbinsel, mit Buckel- Quadrat- und Rechteckmauerwerk. Mosaikböden und Amphitheater mit Gruppenfoto, das orthodoxe Kirchenüberbleibsel. Am Tor-Architrav - der Prankenlöwe der den Stier überwältigt. Einer Sage nach opferte Aeneas nach der Flucht von Troja einen Stier vor der Küste. Verwundet sprang das Tier ins Meer und brach tot auf Butrint (Butrint= "der verwundete Stier") zusammen. Der Stier als Symbolum der Fruchtbarkeit und einer der vier Sphinxtiere, mit makroskopischer Kraft den Sternenhimmel in Bewegung haltend. Apisstier, Mithrasstier, der geflügelte Stier für den Evangelisten Lukas und in der kretisch-minoischen Kultur halten die mondenhaften Stierhörner die Sonnenscheibe. Und der Löwe als Zeichen für Macht und Stärke. Die Bezeichnung dieses Sternbildes geht vermutlich auf die alten Ägypter zurück. Im Hügelgrün noch der Dionysosaltar, römische Bäder, das Gymnasium und die Villa Amaltea. Eine Art Bachstelze im versumpften Festungswerk. Das stilvolle, kleine archäologische Museum. Dann: manchmal zieht sich das Blau des Meeres zurück, füllt sich mit kräuselndem Eigenleben, verteilt die Hügel und die langgezogenen Kuppen in die Macchia-Farbe. Die gefürchteten Korsaren nicht mehr, die "Schrecken der Meere", doch heftet sich noch heute ein einsames Dorf vorsichtig in fünfhundert Meter Meereshöhe und einen halben Kilometer vom Strand entfernt an den griechischen Berghang. Griechische Grenze: Stacheldraht, Gitter, Blaulicht, Kontrolle - die Festung Europa. Wir lesen auf, was hinüber, was herüber. Die neu gebrannten Mauern aus Dornen, welche rosten. Obsession der Wahrheit, bildmächtig - und ein stummer Film durchsiebt mich. Am Strand von Igumenitsa erstirbt im feinen Violett der Inselsilhouetten, wie aus dem Gedächtnis entrückt, langsam die wundervolle Reise, mich seltsam berührend.

Helmuth Moser.